Video Produktion Dossier – Interview Andrej Voina

Interview mit Andrej Voina - Kommunikationsberater und Content Produzent

In unserem Video Produktion Dossier erhaltet ihr Antworten auf Fragen wie: Welche Ausrüstung brauche ich und wie lange sollen Videos sein? Diesmal: Andrej Voina
Kommunikationsberater und Content Produzent

Wie produziert eine Firma mit begrenzten Ressourcen tolle Videos für Social Media heute?

Bild: Pixabay

Um mit begrenzten Ressourcen tolle Videos für Social Media zu produzieren bedarf es mehrerer Dinge. Erstens einmal sollte man eine gute Strategie haben. Das heisst, dass man Konzepte für Videos entwickelt, welche möglichst einfach und mit möglichst wenig Aufwand umgesetzt werden können. Es nützt nichts, wenn man zwar eine tolle Idee hat, diese aber nur mit massivem Aufwand umsetzbar ist. Auch sollte man sich das Format genau überlegen. Oftmals sind einfach gemachte Video-Formate wesentlich erfolgreicher als aufwändig gemachte Filme. Sprich: Ein gut gemachtes Handy-Video kann mehr Erfolg haben, als ein Film in Kino-Qualität – wenn es denn relevant ist und/oder ins Herz der Zielgruppe trifft. Weiter sollte man sich überlegen, was letztlich die Plattform ist, auf welcher das Video stattfinden soll und in Folge auch die Frage stellen: Soll es hochformatig sein (besonders für jüngere Zielgruppen und Plattformen wie TikTok u.ä. geeignet), oder eher quadratisch, respektive 4:3 (z.B. für Instagram) oder dann doch eher im 16:9 Format (YouTube)? Wenn man auf mehreren Plattformen präsent ist, lohnt es sich, wenn man sich dies schon zu Beginn der Aufnahmen gewahr ist und die Produktion der Videos entsprechend gestaltet (Sprich: Die Videos so dreht, dass man aus dem erstellten Material auf einfache Art und Weise alle benötigten Formate editieren kann, ohne Dinge abschneiden zu müssen).

Als Basis für eine gute Strategie sollte man sich auch das Storytelling gut überlegen – etwas vom Wichtigsten überhaupt. Was möchte man sagen? Was sind die Kernbotschaften? An wen möchte man die Botschaften richten? Auf welchen Plattformen bewegt sich diese Zielgruppe? Welche Formate eignen sich für diese Plattformen? In welchem „Stil“ möchte man kommunizieren? Was möchte die Zielgruppe gerne für Videos sehen?
Wenn es dann um die Produktion geht, ist eine gute Planung äusserst wichtig, sonst besteht die Gefahr, dass man unnötig viel Zeit dabei verliert. Location: Wo drehe ich? Was gibt es dort für Einschränkungen und Hindernisse? Sind Bewilligungen nötig? Protagonisten: Wer kommt im Video vor? Braucht es Schauspieler? Müssen die geschminkt oder sonst irgendwie vorbereitet werden? Requisiten? Dann natürlich die Tageszeit: Wie ist der Lichteinfall zum Zeitpunkt des Videodrehs? Und logischerweise auch das Material (Kameras, Licht, Ton etc.) – all das sollte im Vorfeld generalstabsmässig durchdacht und geplant sein. Ausser natürlich, man setzt auf möglichst rohe Authentizität und sagt einfach: „Mit dem Handy drauf halten, vorne/hinten schneiden, hochladen und gut ist“. Das kann auch funktionieren. Wenn es richtig gemacht wird. Aber es benötigt einerseits eine grosse Portion Talent des Handy-Filmers und anderseits auch ein wenig Mut. Auch Mut zum mal daneben zu hauen. Kann man sich das leisten, kann das durchaus eine Taktik sein, um Aufwände tief zu halten. Ab einer gewissen Firmengrösse und einem gewissen Qualitätsanspruch, wird es dann aber meist doch etwas sehr herausfordernd, dies erfolgreich so umzusetzen.

 

Soll ich die Filme selber machen oder brauche ich einen Profi?

Bild: Pixabay

Das kommt einerseits darauf an, über welche Manpower und welches Talent man firmenintern verfügt und anderseits auf die Strategie. Verfügt man über talentierte MitarbeiterInnen und wählt man eine Strategie, welche mit diesen firmeninternen Ressourcen umgesetzt werden kann, kann es durchaus Sinn machen, diese Filme selber zu machen, um so die Aufwände möglichst tief zu halten. Hat man aber Ansprüche, welche von der eigenen Belegschaft nicht erfüllt werden können, ist der Gang zum Profi unausweichlich. Je nach Erfahrungsgrad mit der Produktion von Videos lohnt es sich auch, bereits bei der Strategiefindung Profis bei zu ziehen, die auf Grund ihrer Erfahrungen auf viele Aspekte hinweisen und Tipps geben können, welche man sonst ev. vergisst oder zu wenig beachtet. Ein Profi kann vom Storytelling bis hin zur technischen Umsetzung bestimmt sehr gute Dienste erweisen, so dass man – auch wenn man auf eine Strategie mit möglichst wenig Aufwand und möglichst viel „selber machen“ abzielt (z.B. Handyvideos von den MitarbeiterInnen) – ein Konzept entwickelt, welches auch tatsächlich funktioniert und letztendlich auch erfolgreich umsetzbar ist.

Welche Ausrüstung brauche ich, wenn ich es selber machen will?

Bild: SOM – Sabina Basara

In der heutigen Zeit können Smartphones durchaus reichen. Alle Hersteller bieten inzwischen Geräte, die auch mit 4K Qualität aufnehmen können. 4K ist mittlerweile Standard in der Videoproduktion (Full HD geht zwar auch, bietet aber gewisse Einschränkungen auf Grund der tieferen Bildqualität). Auch gibt es inzwischen sehr gute Semi-Pro Video-Kameras oder DSLR Kameras, die in 4K aufnehmen und dies zu Preisen im Bereich eines guten Smartphones. Eher das Problem bildet hingegen der Ton, der oftmals vergessen oder ein wenig stiefmütterlich behandelt wird und der aber ebenso wichtig ist wie das Bild (Wer sich davon überzeugen möchte, schaut einfach mal einen Horror-Film ohne Tonspur). Auch Licht ist ein extrem wichtiger Faktor beim Filmen. Natürlich kann man auch mit Tageslicht arbeiten, Indoor-Aufnahmen sind hingegen schon schwieriger und auch das Wetter kann man nicht wirklich beeinflussen. Aber wie schon erwähnt – geschickt geplant, reicht möglicherweise sogar einfach ein Smartphone. Je nach dem kann man dieses noch z.B. mit einem Gimball ergänzen (eine Art tragbares Stabilisations-Stativ), mit einem Funkmikrophon (Firmen wie RODE bieten inzwischen Lösungen, die mit Funkstrecken den Ton vom Mikrofon auf das Handy übertragen) und einem LED-Pannel, welches je nach dem auf einem separaten Stativ oder auch am Gimball befestigt werden kann. Das Editieren von Videos kann heutzutage auch sehr einfach auf dem Smartphone gemacht werden: „Splice“ – die Videoschnittsoftware von GoPro oder auch „Videoleap“ bieten ziemlich beeindruckende Möglichkeiten und sind kostenlos. Will man es dann doch etwas professioneller und am Laptop oder Desktop machen bieten sich Softwares wie Final Cut Pro (nur für Mac) oder dann Adobe Premiere an – was dann aber bereits der „Mercedes“ des Videoschnitts ist und auch ein ziemliches Wissen erfordert, um es bedienen zu können. So oder so – will man es selber machen, muss man sich bewusst sein, dass man sich das Wissen dazu erarbeiten muss. Das passiert nicht von selbst und ist meist ein viel langwierigerer Prozess, als man es sich vorstellt. Aber mit etwas Geschick – und vor allem, wenn man Spass daran hat – lässt sich heutzutage auch schon mit relativ wenig Wissen und Erfahrung relativ viel selber machen.

Wie häufig soll ich was posten?

Bild: Pixabay – Gerd Altmann

Das kommt ganz auf die Gesamtstrategie, die Ressourcen und die Zielgruppe an. In der PR gilt die Regel, dass das Minimum an Medienmitteilungen etwa ein Mal im Monat sein müsste, wenn man das professionell angehen möchte. Auf Social Media kann diese Kadenz dann bis auf ein oder mehrmals täglich ansteigen. Ganz generell kann man sagen: Zu viel, gibt es nicht – so lange es relevant und/oder unterhaltsam ist. Es gibt nur falsch, schlecht oder nervig. Das heisst: Wenn jemand fähig ist, mehrfach täglich relevante Video-Inhalte zu produzieren und zu posten, dann ist das definitiv nicht falsch. Wenn man jedoch nicht einmal ein Mal im Monat schafft, etwas zu produzieren, wird man im heutigen Überfluss an Angeboten wohl oder übel unter gehen. Ausser natürlich, man schafft es Videoinhalte so gut zu produzieren, dass es auch bei einmaligem Posten pro Jahr zu einer derart grossen und langandauernden, viralen Verbreitung kommt (die man ev. auch mit Geld Einsatz fördern kann, wenn man einen Video-Post z.B. nach ein, zwei Monaten mit ein wenig Budget nochmals verbreitet), dass es reicht und dennoch auch langfristig zu Aufmerksamkeit führt. Denn letztlich möchte man ja Aufmerksamkeit.

Wie finde ich die Stories zum posten?

Tja – das ist das grosse Geheimnis des Storytellings. Dafür gibt es Profis, welche mit System und Kreativität solche Stories zu Tage fördern oder je nach dem sogar „erfinden“, so dass man etwas zum filmen hat. Ein guter Kommunikations- oder PR-Berater sollte so etwas können, respektive gehört dies zu seinen Grundaufgaben. Das Motto „Tue Gutes und sprich davon“ kann hier womöglich helfen, wenn man sich ganz einfach fragt: „Was tun wir denn Gutes?“ und dies dann strukturiert angeht und umsetzt. Eventuell kann man auch künstlich nachhelfen, in dem man eben Situationen gezielt erschafft, welche man filmen und umsetzen kann. Da gibt es an sich unzählige Möglichkeiten. Ich mache die Erfahrung, dass viele Unternehmen oft auch „Betriebsblind“ sind und sich gar nicht selber vorstellen können, was denn überhaupt eine gute Story sein könnte. Da hilft die Vogelperspektive eines externen Beraters, der unvoreingenommen und zum Teil aus der Sicht des Konsumenten die Stories herausfiltern kann. Ich erlebe oft bei Kunden, dass sie staunen, mit welcher Leichtigkeit ich Ihnen Themen vorschlage, obwohl ich mich erst vielleicht ein, zwei Stunden mit Ihrem Unternehmen auseinandergesetzt habe. „Ja, stimmt eigentlich“ ist da der häufige Kommentar und „hätten wir eigentlich auch selber darauf kommen können“. Aber offenbar eben nicht.

Wie lange sollen die Videos sein?

Bild: Pixabay / Sarah Lötscher

Das ist extrem unterschiedlich und kommt auch stark auf die Plattform an. Sind es relevante, tiefgründige Themen und Inhalte, die sich an eine interessierte Zielgruppe richten, kann so ein Video ein, zwei Stunden dauern. Das gilt zum Beispiel für Lerninhalte, Tutorials, Webinare u.dgl. Geht es aber um Unterhaltung und richtet sich z.B. an eine junge Zielgruppe und auf einer Plattform wie Tiktok, sind 6-10 Sekunden schon ziemlich die Grenze. Aber auch hier gibt es keine klare Regel. Ist es relevant und/oder unterhaltend und schafft es die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf sich zu ziehen, kann es durchaus auch länger sein. Von den vorhin genannten, langen Inhalten abgesehen, würde ich aber mal sagen, dass alles was länger ist als 1-2 Minuten wohl eher nur von einer kleinen Minderheit bis zu Ende gesehen wird. Was man aber tun kann wäre, einen längeren Inhalt mit einem kurzen Inhalt (Trailer) zu bewerben und so die Menschen dazu zu bewegen, sich das lange Video zu merken – z.B. wenn sie den Trailer auf dem Weg zur Arbeit oder in der Pause auf Social Media entdecken – und dann am Abend, oder am Wochenende, dieses lange Video mit allen Details in aller Ruhe anzuschauen.

Was kostet die Produktion für ein Video?

Bild: Pixabay / Pasja1000

Da gibt es keine klare Antwort. Wenn ich mit dem Handy zum richtigen Zeitpunkt aus dem richtigen Winkel das richtige Video aufnehme und sofort hochlade (oder sogar streame), ohne es nachzubearbeiten, ist der Aufwand sehr gering. Braucht es aber Recherche, Schauspieler, Locations, Requsiten, Licht, Ton, Musik, Schnitt, Animationen etc. kann das natürlich sehr schnell ziemlich teuer, weil aufwändig werden. Oftmals haben die Leute auch keine Vorstellung davon, wie viel Arbeit hinter einem Video steckt. Als Beispiel, könnte man z.B. ein 15-minütiges Podiumsgespräch oder einen Experten-Talk mit 2 Personen nehmen. Da wären die Aufwände ungefähr wie folgt (eher knapp gerechnet): Vorabklärungen / Locationscouting (ca. 2-3h), Briefing der Teilnehmenden (ca. 2-4h), Aufnahme mit 2-3 Kameras, 2 Kameramänner, 2 Funkmikrofone, Lichtquellen (inkl. Auf-/Abbau und eigentlichem Filmdreh ca. 4h), Schnitt (ca. 4h) – das heisst, wir sind da bereits locker bei zwei ganzen Arbeitstagen und einem Preis von schnell mal CHF 3000.- oder auch mehr (wenn noch aufwändiges Colorgrading, Grafiken etc. eingebaut werden müssen) angelangt. Ohne Locationkosten, Storytelling, entwicklung der Gesprächsinhalte, Korrekturrunde etc. So oder so – bei Videoproduktionen ist die Kostengrenze nach oben hin offen. Ganz generell ist es aber schon auch so, dass auf Grund der immer bessern, günstigeren Technik, die Produktionskosten in den letzten Jahren massiv gesunken sind. Was früher wirklich nur ein Profi machen konnte, kann heute jemand mit etwas Talent schon mit einem Smartphone machen. Das hat auch zu einem disruptiven Wandel der gesamten Branche geführt, da inzwischen praktisch jeder ein 4K fähiges Smartphone besitzt und Dinge filmen und umsetzen kann, für welche es früher ein Equipment im Wert von CHF 20’000.- oder mehr bedurfte. Das hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, jeder mit Talent und Kreativität kann heute relativ leicht und relativ kostengünstig seine Ideen umsetzen und ist nicht mehr auf Profis und ihr Equipment angewiesen. Der Nachteil ist, dass auch wirklich jeder meint, er sei ein Filmprofi und von vielen grundlegenden Dingen keine Ahnung hat und dadurch nicht selten unsanfte Erfahrungen macht, oder ein Ergebnis abliefert, welches nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entspricht. Wissen und Erfahrung sind eben auch von der besten Technologie nicht zu ersetzen.

Andrej Voina (50)
Kommunikationsberater und Content Produzent
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