Welche Vorteile von künstlicher Intelligenz gibt es im Marketing, deiner Meinung nach?
Die KI eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Datenanalyse geht viel effizienter und die KI erkennt Muster, die sonst schwer zu identifizieren sind. Oder die Personalisierung von Botschaften: Du kannst z.B. jedem Empfänger eines Mailings einen komplett massgeschneiderten Text senden. Der mit Abstand grösste Vorteil ist aber das Empowerment: die KI gibt KMUs Möglichkeiten in die Hand, die bis anhin den ganz Grossen vorbehalten waren, z.B. in der Kundensegmentierung, der Automatisierung und der Konkurrenzanalyse.
Was meinst du, welche Anwendungsbeispiele für KI Marketing gibt es?
KI stellt jeden Bereich auf den Kopf. Datenanalyse, Strategie, Kampagnenplanung, Content-Planung, Content-Erstellung in Text, Bild und Ton, Kundeninteraktion, Sentiment-Analyse, Trenderkennung, personalisierte Empfehlungen im Online-Shop etc. etc. Google Ads Kampagnen werden mit KI optimiert, Spielehersteller erstellen die 3D-Objekte von neuen Games mit KI, ein privater Fernsehsender lässt eine KI-Avatar die Wetterprognose präsentieren. Die Frage ist nicht mehr, was möglich ist. Möglich ist praktisch alles. Sondern: wo soll man beginnen soll, wo ist es am sinnvollsten.
Nutzt du selber bereits KI in deinem beruflichen Alltag? Wenn ja, welche Tools?
Ja. Wir betrachten die KI als unglaublich vielseitigen Assistenten, der uns bei der Arbeit unterstützt. Mit ChatGPT bzw. Playground von OpenAI setzen wir Google Ads Kampagnen auf und optimieren sie. ChatGPT hilft uns auch beim Debugging der Softwareentwicklung, als Social Media Planner, für die Adaptierung von Content und für individuelle Tools. Bei Konkurrenzanalysen unterstützt uns das Gespann Bing/ChatGPT. In Slack stellen wir unseren Mitarbeitenden die KI Claude zur Verfügung. Ein Mitglied unseres Teams konnte Claude kürzlich nutzen, um eine komplexe technische Frage zu klären, die während eines Projekts aufgetaucht war. Im Bereich Content Creation nutzen wir Midjourney für Illustrationen und Speechelo für Voice-Over von Instruktionsvideos. Mit Letsenhance können wir Bilder für Marketingmaterialien vergrössern, ohne dass die Bildqualität leidet, und DeepL, ein KI-Klassiker, unterstützt uns bei Übersetzungen.
Unsplash/ Andy Kelly
Wo siehst du die Begrenzungen von KI?
Zurzeit ist die Exzellenz das Limit. Die KI erstellt bereits recht überzeugende Beiträge. Wirklich herausragende, knackige Texte und Headlines schreibt bei uns aber nur einer, unser Texter. Der göttliche Funken, der Geistesblitz geht der KI ab.
Bei aller Begeisterung sollten wir ausserdem nie vergessen: die KI hat gar keinen Plan, kein Modell, kein Verständnis von unserer Welt. Sie simuliert das alles nur. Sie hat keine Ethik und keine Moral. Und sie ist gefärbt vom Training und von der Qualität der Daten, mit der sie gefüttert wurde. Wie ein Flamingo.
Was denkst du persönlich, wo geht die Reise hin?
KI ist niederschwellig verfügbar. Du brauchst keinen Data Scientist, kein Rechencenter und hast keine 6stelligen Betriebskosten. Jeder mit Internetzugang kann KI nutzen. Das hat eine Dynamik in Gang gesetzt, die atemberaubend ist – in ihrer Vielfalt und Geschwindigkeit. Wir werden in den nächsten Monaten AI-Lösungen sehen, die wir uns gar noch nicht vorstellen können. Ende Jahr werden wir z.B. mit Textprompts Videos in Midjourney-Qualität generieren. Mein Wunsch ist, dass wichtige Fragen wie der Datenschutz und der ethische Einsatz der KI im gleichen Tempo angegangen werden. Ich denke, dass die Umsetzung dank KI noch viel mehr zur Commodity und die Idee zum wichtigsten Unterscheidungsfaktor für Unternehmen wird. KI ist ein grossartiger Assistent, gehört aber nicht in den Driver Seat.
Beratung
Rolf Jeger hat Kommunikationsleiter schon viele Supertanker unter den Brands begleitet, schöne Preise gewonnen und nie die Faszination und Freude an der Kommunikation verloren. In den letzten Jahren hat er sich zu einem digitalen Experten gemausert. Er leitet eine digitale Agentur für Kommunikation, Software und KI in Zürich.